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Laudatio von Ernst Geyer

 

Paul Mooney – Taking the Punches
30.04. – 04.06. 2023

 


Wir eröffnen heute die Ausstellung von und mit Bildern von Paul Mooney. Paul Mooney ist das zweite Mal Gast in unserer Galerie. Er lebt und arbeitet in Wasserburg am Inn.
Paul Mooney ist Ire.
Mich erinnern seine Bilder an Bilder eines anderen berühmten irischen Malers: an Jean Scully.
Ich habe etwas gemacht, was man nicht machen sollte: Ich habe die Bilder dieser beiden Iren verglichen… und Parallelen entdeckt in der künstlerischen Absicht der beiden:  
Wie Scully nutzt auch Mooney als malerisches Stilmittel Aquarellfarben. Beide verwenden die Farben nicht in der aquarelltypischen Art, nämlich das, was sie darstellen wollen, mit farblicher Leichtigkeit aufs Papier zu bringen, sondern um pralle Farbigkeit zu generieren.
Wie gelingt den beiden das?
Aquarellpigmente drängen danach sich auszubreiten, zu zerfließen, ineinander laufen zu wollen.
Scully und Mooney „überlisten“ in einer ausgeklügelten malerischen Strategie die Aquarellpigmente, sie disziplinieren sie, fassen sie in klare Formen, geometrisch konstruiert, oft fast architektonisch geordnet.
Gezogene Linien sind das Gerüst innerhalb dessen sich die Farben dann um so freier entfalten, in vielen dünnen Schichten verwandter Farbtöne.
Statt nass in nass zu arbeiten, lassen beide die einzelnen Schichten und Flächen trocknen, bevor sie sich wie geologische Formationen aufbauen. So wie das Ausbreiten der Farben verhindert wird, treiben beide der Aquarelltechnik ihre lichte Transparenz aus. Indem sie Schicht auf Schicht auftragen.
Ein feines Netz von Widersprüchen durchzieht die Bilder, hält sie zwischen formalen Kontrasten und farblichen Harmonien, zwischen kühler Konstruktion und warmer Sinnlichkeit, aber auch zwischen Hell und Dunkel hintergründig in Spannung.
Scully’s künstlerische Ausdrucksform ist die Abstraktion. Die ist es auch für Mooney.
Viele Parallelen also in der malerischen Technik der beiden. Und doch ganze andere Bilder.
Während Scully bevorzugt mit „pattern“, also die Welt in und mit Mustern abbildet, sehe ich in Mooneys Bilder Thematisierungen menschlicher Empfindungen und Haltungen.
Der Titel der ersten Ausstellung Paul Mooneys in dieser Galerie war: time to remember.
Mit seiner künstlerischen Handschrift resümierte er die Erinnerungen an einen engen, verstorbenen Freund.
Dieses Mal ist der Titel: taking the punches – ein Ausdruck, der aus der Boxwelt. Ins Bayerische übersetzt heisst das „gut einstecken können“ – eine lebensnahe charakterliche Qualität, die  man gerade in Bayern gut versteht.
Was bedeutet „gut einstecken können“?
Für mich heisst es: Konkurrierend kommunizieren – sich Aufgaben und Fragen stellen und denen nicht ausweichen.
Zum Beispiel mit dem Bild, das auch das Bild auf dem Ausstellungsplakat ist:
Drei in Beziehung gesetzte Punkte, Positionierungen, die die Bewegung der anderen Punkte beeinflussen, aber so, dass alle drei für sich in der gewählten Position bleiben können; sie spüren, dass es die oder den anderen gibt. Aber bleiben für sich.
oder die Bilder 9, 10 und 12 in der Übersicht: Linien, die aufeinander einwirken, aber doch ihren Weg suchen und finden,
oder das Bild Nr. 16: in der Gleichheit – eingegrenzt durch Gleiches – seine Grenzen erkennen.

Wenn man die Bilder so sehen kann, wie ich sie sehe, dann bekommen diese Bilder Kraft. Sie stellen etwas dar, was mir im Alltag begegnet.
Für mich sind Mooneys Bilder zu Papier gebrachte Erlebnisse, Erfahrungen und Stimmungen des Alltags.  Und sie haben meditative Qualität.
Und nicht nur das: Sie stehen für mich qualitativ in nichts nach, dem was die Bilder von Scully weltberühmt machten: die farbliche Prägnanz, ihre Eindeutigkeit und die Klarheit des Ausdrucks.
Man sagt, eine typisch irische Eigenschaft sei die Beharrlichkeit, nämlich nicht von einer einmal gefassten Überzeugung abzuweichen. Man kann das auch Beharrungsvermögen nennen. Das wünsche ich Paul Mooney schon deshalb, damit seine Bilder vielleicht irgendwann mal so nachhaltig wahrgenommen werden, wie die von Scully.
Sie bitte ich Mooeney‘s Bilder dieser Ausstellung mit meinem Interpretationsangebot anzuschauen. Vielleicht geben sie mir Recht und entdecken den archaischen Lebensbezug der Themen in seinen Arbeiten, den ich sehe.
Mooneys Bilder geben Kraft für das, was einem im Alltag begegnet: Zum Beispiel „einstecken können“, standhalten, sich behaupten, ohne den anderen unterkriegen zu wollen. Aber im Dialog bleiben, was immer der beste Weg für Lösungen ist. Nämlich erkennen, dass ein Miteinander möglich ist und dass nur dieses Miteinander die Grundlage für vernünftige und lebensnahe Lösungen ist.
Denn nur im Gegenüber erkennt man sich selbst.
So wird das scheinbar Abstrakte seiner Bilder zur persönlichen Erfahrung, zur Erkenntnis und zur Erinnerung an gemachte Erfahrungen. 
Für mich sind Paul Mooneys Bilder Mutmacher. Mit zwei entscheidenden Vorteilen gegenüber meinen verbalen Interpretationsangeboten:   
Bei den Themen, die sie darstellen, schwingt irische Gelassenheit mit, nämlich das, was diese Bilder interpretieren nicht als bedrohlich zu empfinden und sich doch auch auf die eigene Stärke zu verlassen, und
im Gegensatz zu meinen vielleicht schnell vergessenen Interpretationsversuchen, sind Moneys Bilder käuflich erwerbbar als Mutmacher für ihre häuslichen Umgebung.
Bevor jetzt diese Einführung zum Ersatz einer möglicherweise versäumten Sonntagspredigt wird: Lassen Sie sich bei einem Glas Wein und Aufstrich-Tapas auf den vom Künstler beabsichtigten Dialog mit seinen Bildern ein.
Die Ausstellung ist eröffnet.

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