Peter Tomschiczek
zum 80sten
22. März – 14. Juni 2020
GALERIE
VILLA MARIA
Ihre Galerie in der Region.
15.09. – 20.10.
Resonanzen
MAJA + RICHARD VOGL
Webarbeiten und Bilder
Laudatio Maja & Richard Vogl
Bei herbstlichem Wetter eine Ausstellungseröffnung, die in ihrer künstlerischen Qualität an einen warmen Spätsommertag erinnert. Seien Sie herzlich begrüßt.
Wir eröffnen heute die Ausstellung eines Künstlerpaares: Maja und Richard Vogl.
Keine Unbekannten in dieser Galerie, auch in dieser Kombi.
Für mich war es, seit ich die Arbeiten beider kenne, spannend zu sehen, wie sich zwei, die sich in ihrem Lebens- und Arbeitssinn der Kunstproduktion verschrieben haben, in zwei unterschiedlichen Darstellungsformen, aber in ihrer Arbeit sichtbar bereichern.
Aber der Reihe nach:
Einführende Worte zu einer Ausstellung der beiden Vogls fallen mir schwer: Ich finde seine Bilder und ihre Webarbeiten so gut, dass ich befürchte, mich schnell in kunsthistorisch geprägte Schwurbeleien zu verlieren. Das will ich in keinem Fall, auch wenn die Gefahr latent bleibt.
Ich will diese rhetorische Stromschnelle umschiffen, deshalb zitiere ich eingangs Richard Vogl:
„Meine Malerei gleicht in ihrer Entstehung einem Schauspiel. Die Bildfläche ist die Bühne, auf der die Akteure – anfangs Farbflecken, Linien, dann mehr und mehr figürlich Elemente – auftreten, Beziehungen miteinander eingehen, sich reizen, steigern, verändern, zerstören oder auslöschen.“
Genau das können Sie in dieser Ausstellung eingehend bewundern (und für viele) oder wiederentdecken.
Wo hat Richard Vogl diese Sicht auf den malerischen Entstehungsprozess ge- und kennengelernt?
Ich vermute bei Rudi Tröger, dem Doyen der bayerischen Gegenwartskunst. (Er) Richard Vogl war einer seiner Meisterschüler und manchmal wünsche ich mir, Richard Vogls Bilder ihm – Rudi Tröger - wieder vorzustellen.
Übrigens: Seine Frau Maja hat auch bei Tröger studiert, absolvierte die Studienzeit aber mit einer scheinbar ganz anderen Handlungsanweisung für ihren künstlerischen Entstehungsprozess als ihr Mann.
Ich habe eine Vermutung: Bei Rudi Tröger hat Richard Vogl erfahren, wie es geht - Emotionalität auf Leinwände und Papier sichtbar und sie für Betrachter erfahrbar zu machen.
Richard Vogl verleiht in seinen Bildern, Pastellen und Kohlezeichnungen menschlichen Phantasien Gestalt.
Er macht Empfindungen sichtbar, auf Papier, auf Leinwänden.
Man sieht, was man spürt, wenn man diese Bilder auf sich wirken lässt. Man, also ich, beginne dann, über diese Gefühle und die damit verbundenen Emotionen nachzudenken. Man, also ich, versuche mich zu erinnern an die Situationen, wo und wann ich zu dem wurde, der ich heute bin.
Es sind die dargestellten überraschenden Perspektiven, der Gesichtsausdruck, die Situationen.
Nehmen Sie die Portraits im Gang: Lebensnahe Situationsbeschreibungen, die einen Selbsterkundungsprozess startklar machen können.
Bilder sind und waren für mich immer Orientierungshilfen, wenn ich wissen wollte: Wo stehe ich denn gerade?
Vogls Bilder können das besonders gut: In die von ihm dargestellten Momentaufnahmen konnte ich Situationen erinnern, in der lebenslange Prägungen entstanden. Vogls Bilder machen es möglich, sich selbst besser kennenzulernen.
Mir jedenfalls gelang es.
Bilder, die das können, waren für mich immer die guten Bilder.
Vogls malerische Handschrift ist immer sofort erkennbar.
Seine Farbgebung, seine Motive wandeln sich: die Farbsetzung seiner hier ausgestellten neuen Bilder sind eindeutiger geworden, aber auch weicher, versöhnlicher. Sie sind reifer, lebenserfahrener und gleichzeitig spüre ich eine amüsierte, lebenskluge Toleranz.
Im Ergebnis ist das das, was Kunst wollen soll: Nicht zu zeigen, was man sieht, sondern was man andere sehen lassen will.
Geblieben ist die Leichtigkeit des gelebten Augenblicks.
Zum Beispiel auch in den hier gezeigten Kohlezeichnungen, inzwischen begehrte Sammlerstücke. Immer noch werden augenzwinkernd Situationen festgehalten, in denen Menschen sich was trauen, was sie sich vielleicht lieber nicht trauen sollten, worauf sie aber große Lust verspüren, es sich trauen. Bilder ganz nah an menschlichen Wünschen und Phantasien.
Wie und was er malt wird abgerundet, man könnte sagen, vervollständigt durch das künstlerische Wirken seiner Frau, Maja Vogl.
Ganz anders und doch verwandt, vor allem wenn man den Fokus auf die Farbgestaltung legt.
Maja Vogl sagt von sich, sie sei schlicht Weberin.
Welch maßlose und deshalb so sympathische Untertreibung.
Erlernt hat sie das Handwerk bei Sigrid Reeckmann in Bayreuth – gendermässig korrekt ausgedrückt: unter Weber:Innen eine Ikone.
Maja Vogl verwendet ausschließlich Haspel- und Schnappseidenfäden – sie meint, für banaleres Material würde sich die Mühe am Webstuhl nicht lohnen, denn Seide reflektiert nicht nur das Licht, sie hat einen inneren Glanz, der sich auf die Trägerin übertragen soll. Für jede Stola verwebt sie 12 km Haspel- oder Schnappseide – was für eine Anstrengung für Hand, Fuß, Kopf und Herz.
In den Stoffbahnen platziert sie kleine geometrische Einsprengsel, Karos und Linien, die wie aus dem Nichts auftauchen, optische Überraschungen, aber ihre weberische Handschrift: unverkennbar!
Ihre Stolen sind immer Unikate, sie sind Kunst zum Tragen und Anziehen. Trägerinnen werden so selbst zum Kunstobjekt – jede, die eine trägt, würde das spüren oder wie es ein Guido Maria Kretschmer ausdrücken würde: Das tut was für sie.
Und jetzt ergänzt sie ihre Webarbeit mit kleinen Wandobjekten, die echte Preziosen sind: Was ausschaut wie abstrakte Farbflächenmalerei sind Auf- und Ansichten von Landschaften im Scully- oder Rothko-Stil, das sind Wicklungen: feinste Seidenfäden, in hunderten von Wicklungen um einen Körper aus Passepartout-Karton gewunden – für mich eine künstlerische Vollendung des malerischen Ausdrucks, den Rothko und Scully entwickelten, nur eben dreidimensional und vielleicht deshalb wirkungsstärker – oder wie mir ihr Mann zuraunte: Viel besser als die beiden.
Eine Ergänzung ihrer künstlerischen Arbeit, die mich so faszinierte, dass ich dringlich bat, sie für diese Ausstellung mitzubringen.
(Diese Arbeiten sind für mich die bislang sichtbarste Brücke zu den Arbeiten ihres Manns.)
Da leben und arbeiten zwei Künstler Seit‘ an Seit‘ seit Jahrzehnten – für mich sind die Arbeiten der beiden ein Gesamtkunstwerk – jeder für sich und trotzdem als Einheit zu sehen.
Warum stellen die beiden nicht öfter gemeinsam aus, wenn sie ausstellen: Maja Vogl webt, wie Richard Vogl malt.
Man spürt in Majas Arbeiten seinen Malstrich, weniger figürlich, dafür aber ertastbar.
Wir sind sehr glücklich, dass wir beide wieder für 5 Wochen als Gäste in der Galerie haben dürfen.
Die Ausstellung ist eröffnet.
Ernst Geyer, am 15. September 2024